Memoria

“If there ever comes a day when we can't be together keep me in your heart, I'll stay there forever.”
-A.A. Milne, Winnie-the-pooh

Gipsy
(10.05.1996-04.06.2011)


Gipsy war mein erster eigener Hund. Wir machten damals als ich neun Jahre alt war Urlaub auf einem Bauernhof in Bayern und Gipsy büxte gemeinsam mit ihrer Schwester aus und lief auf die Straße, vor das Auto meiner Eltern. Eins führte zum Anderen, ich gab ihr den Namen Gipsy :)


Aus Sicht meiner Eltern würde ich Gipsy wohl als anstrengenden, sturen und wilden Hund beschreiben, der hauptsächlich darauf aus ist seinen eigenen Vorteil durchzuboxen ;). Aus der Sicht eines Kindes würde ich sagen, sie war der perfekte Hund. Sie war super lieb, geduldig und hat auf mich aufgepasst. Wir sind jeden nachmittag gemeinsam losgezogen, in den Wald, zum See, auf den Sportplatz, Gipsy konnte man überall mit hinnehmen und ich habe sie nie an der Leine geführt. Manchmal haben wir dabei ein wenig die Zeit aus den Augen verloren, aber niemand hat wirklich damit gerechnet, dass mir mit ihr etwas passiert und spätestens als es dunkel wurde sind wir schon wieder aufgetaucht. Leider währte unsere gemeinsam Zeit nur 3 Jahre, dann wurde sie aufgrund der Scheidung meiner Eltern abgegeben.


Sechs Jahre später war ich erneut dabei meine Mutter bezüglich eines Hundes zu bearbeiten, als unverhofft kommt oft an die Tür klopfte. Wir bekamen Gipsy zurück - aber wie. Von meinem agilen sportlichen mutigen Schäferhund war nicht mehr viel übrig. Sie hatte schlimme Entzündungen in den Ohren, stumpfes Fell das ihr zu weiten Teilen ausgefallen war, Allergiegeschwüre und so wenig Muskulatur, dass sie nicht mal 5 Meter traben konnte.
Trotzdem stapfte sie noch am ersten Tag den sie wieder bei uns war die Treppe hoch und legte sich zu mir ins Zimmer neben mein Bett um zu schlafen. Eigentlich sollte sie nicht in den ersten Stock, aber jede Nacht kam sie hoch und legte sich vor meine Zimmertür, wenn ich aus der Schule kam, überraschte ich sie so manches Mal wie sie grade aus meinem Zimmer kam und mich unschuldig von oben anguckte. Sie wusste immer noch sehr genau was sie wollte und was nicht! Da niemand im Haus Zeit für einen Hund hatte, ging ich mit ihr spazieren, irgendwann auch wieder Fahrrad fahren, schwimmen und wir spielten wieder mit Stöckern. Das Fell wuchs nach und die Geschwüre bildeten sich zurück.


Als ich zum Studium auszog durfte ich sie mitnehmen. Ich begann nun verstärkt damit zu versuchen ihr ihr Allergiegeplagtes Leben zu erleichtern was mir auch gut gelungen ist. Irgendwann standen die Ohren wieder, sie biss sich die Haut nicht mehr blutig und im Winter war kaum mehr ein Kratzen zu vernehmen. Auch als Studentin begleitet Gipsy mich überall mit hin, lässt sich wie Miss Daisy auf der Rückbank umherfahren. Als ich wieder anfange zu reiten begleitet sie mich zunächst noch auf Ausritte, später sind wir uns einig, dass sie am Stall auf mich wartet. Ich hab sie dort nicht eingesperrt oder angebunden, es war einfach eine lautlose Absprache, wenn ich wieder kam lag sie auf der Wiese in der Sonne oder hat sich grade im Stall etwas abgekühlt.

Das mein Hund immer älter wurde, hatte ich letztendlich aber nicht mitbekommen. Gut, irgendwann blieb sie bei den Ausritten zuhause, dann haben wir beschlossen, dass man mit 12 Jahren nun auch irgendwie nicht am Fahrrad laufen muss, sie ist mal in die verkehrte Richtung gelaufen wenn ich sie rief, aber ich fand meinen Hund immer noch rüstig und gut drauf. Als sie wegen einer vergrößerten Milz operiert werden musste, Tumorverdacht, bin ich aus allen Wolken gefallen. Aber Gipsy hat dies trotz ihrer 12 Jahre weggesteckt, operieren lassen wollten wir sie danach trotzdem nicht mehr. Ich war für 6 Monate im Ausland und Gipsy machte mit Martin Karriere bei der Bundeswehr. Dann wurde eine CNI festgestellt, auch nichts was einen Schäferhund umbringen würde.

Bei einer Routineuntersuchung wurde festgestellt, dass ihr Herz etwas schwach war - auch nichts, was Gipsy irgendwie einschränken würde. Sie bekam keinerlei Medikamente, nur über die Fütterung hab ich ihre Altersprobleme ausgeglichen. Sie war weiterhin gut drauf, ging schwimmen, gerne spazieren, hasste es Kommandos zu befolgen oder ihren Sturkopf nicht durchsetzen zu können und schlief sehr gerne und viel.
Wirklich dramatisch wurde es noch einmal, als sie vor lauter Schmerzen nicht mehr laufen konnte. Es kam aus der Wirbelsäule, aber Narkose, Röntgen, bei einem fast 14 Jahre alten Hund? Sie bekam Schmerzmittel und war genauso wie vorher auch. Kaum von diesem Schreck erholt eine Magendrehung, der Tierarzt macht uns keine Hoffnungen, denn eine OP wollten wir nicht. Aber Gipsy fand es irgendwie noch zu früh und kommt 3 Tage später nach Hause, als wäre nie irgendetwas gewesen.


Ihr letztes Lebensjahr hat Gipsy es ruhig angehen lassen. Ich war zwei Monate in Spanien und Gipsy hat Ferien am Stall gemacht, wo sie eine Katze großgezogen hat. Sie geht weiterhin gern spazieren, hängt am Stall rum, schwimmt in der Ostsee, spielt hasch mich mit der Nachbarshündin und ist ein rundherum zufriedener alter Hund.



Im Mai wird sie 15 und wird nach wie vor wackelig auf den Beinen, aber ihre Frohnatur bleibt. Sie begleitet mich noch ein weiteres Mal auf einen Distanzritt und wir beschließen, dass sie zwar nach wie vor alles lustig und spannend findet, aber es wohl doch etwas fiel für unsere Oma ist und sie das nächste Mal bei Freunden bleibt. Dazu kommt es dann jedoch nicht mehr. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni sind wir bei meiner Mutter zu Besuch und ich lasse Gipsy noch ein letztes Mal in den Garten bevor sie ihren "Gute-Nacht"-Snack bekommt. Sie steht erwartungsvoll neben mir in der Küche als sie auf einmal zusammenbricht und einen epileptischen Anfall erleidet. Nach mehreren Minuten ist sie wieder normal und möchte ihr Futter. Ich bleibe noch eine Weile wach und warte, aber es passiert nichts weiter. Ich wecke Herrchen damit er sie nochmal streichelt, weil ich nicht weiß was am nächsten Morgen sein wird.
Am nächsten Morgen ist Gipsy schwach und steht nicht von alleine auf. Auch nicht für Leberwurst. Am Ende kriegen wir sie auf die Beine, aber sie kann sich kaum halten. Wir bringen sie wieder in ihr Bett bevor sie umfällt. Wir müssen nicht groß darüber diskutieren, die Entscheidung fällt ohne Worte, wir bringen sie in die Tierklinik Lüneburg wo sie am 04. Juni in unserem Beisein eingeschläfert wird und ihre letzte Reise antritt. Wir haben sie im Garten meiner Mutter beerdigt, in dem Garten in dem sie schon als Welpe herumgetollt ist und zu diesem tollen Hund herangewachsen ist. Ich hatte oft darüber nachgedacht wie es wohl sein würde, wenn mein Schatten irgendwann nicht mehr da sein würde und ich hatte es mir nicht vorstellen können. Auf einmal war es dann so und das fühlte sich genauso unwirklich an, manchmal kommt es mir bis heute komisch vor, dass ich diesen Hund hatte, der immer an meiner Seite gewesen war und der soviel mit mir durchgestanden hatte und der nun einfach fort war.
Sie wird immer in meinem Herzen bleiben denn was man im Herzen hat, das kann einem auch der Tod nicht nehmen.